- Physiknobelpreis 1914: Max von Laue
- Physiknobelpreis 1914: Max von LaueDer deutsche Physiker erhielt den Nobelpreis für seine Entdeckung der Beugung von Röntgenstrahlen beim Durchgang durch Kristalle.Max von Laue, * Pfaffendorf (bei Koblenz) 9. 10. 1879,✝ Berlin 24. 4. 1960; ab 1914 Professor in Frankfurt am Main, ab 1919 in Berlin, dort ab 1923 Direktor des Instituts für Physik, ab 1945 stellvertretender Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen, ab 1951 Direktor des Fritz-Haber-Instituts für Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem, entwickelte das Laue-Verfahren.Würdigung der preisgekrönten LeistungWas sind Röntgenstrahlen? Diese Frage zu beantworten war Wilhelm Conrad Röntgen (Nobelpreis 1901), dem Entdecker des von ihm »X-Strahlen« genannten Phänomens, nicht vergönnt. 17 Jahre später deckte Max von Laue deren physikalische Natur auf. Der 1909 als Privatdozent zu Arnold Sommerfeld nach München gekommene Physiker überzeugte die Assistenten Walther Friederich und Paul Knipping im Frühjahr 1912, Experimente entsprechend seinem Vorschlag durchzuführen, die weder Röntgen noch Sommerfeld für Erfolg versprechend hielten. Die Resultate der ohne Wissen der Institutsleiter durchgeführten Versuche bestätigten, dass Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen sind.»Röntgenwellen« oder »Röntgenteilchen«?Röntgenstrahlen entstehen durch das Abbremsen sich schnell bewegender Elektronen mittels eines Gegenstands. In Röntgens ersten Experimenten schossen Elektronen auf eine Glaswand. Beim Auftreffen kam es zu den neuen Strahlen, die als ein Bruchteil der aufgrund der Geschwindigkeitsverringerung umgewandelten Elektronenenergie gedeutet wurden, während deren größerer Teil in Wärme umgewandelt wird.Röntgen hatte vermutet, eine neue Art von Ätherwellen entdeckt zu haben — die Existenz eines alles durchdringenden Äthers war noch nicht widerlegt —, musste den Beweis dafür aber schuldig bleiben. So war zunächst unklar, welcher Natur diese Erscheinung war. Zwar ließen sich die X-Strahlen wie sichtbares Licht von keinem Magnetfeld ablenken, doch konnte man sie weder reflektieren noch an einem Spalt oder Gitter beugen. Aufgrund ihres Durchdringungsvermögens war anzunehmen, dass Röntgenwellen sehr kurze Wellenlängen haben. Da jedoch Beugungsgitter mit derart kleinen Gitterkonstanten nicht mechanisch gefertigt werden konnten, schien der experimentelle Nachweis der Röntgenstrahlen als Wellenerscheinungen undurchführbar.Einige Physiker vertraten auch die Meinung, dass es sich bei der Röntgenstrahlung um einen Teilchenstrom handelt. Schließlich wurden auch aus einem Körper, auf den Röntgenstrahlen trafen, herausgeschlagene Elektronen registriert. Und je energiereicher die Röntgenstrahlung war, desto schneller waren diese Elektronen, während ihre Geschwindigkeit nicht von der Strahlungsintensität abhing. Dieser schon bei Bestrahlung mit ultraviolettem Licht auftretende »Photoeffekt« hatte Albert Einstein zu der These bewogen, dass Licht aus Teilchen bestehe. Sollte man also besser von »Röntgenteilchen« sprechen?Auch wenn man wie Sommerfeld die Röntgenstrahlen als dem Licht verwandte elektromagnetische Wellen betrachtete, ließ sich der Photoeffekt nicht erklären. Plausibel wurde er bei den Röntgenstrahlen erst, als zwei Ursachen für die Röntgenstrahlung identifiziert wurden. Neben dem »Bremsanteil« entsteht noch eine für das mit Elektronen beschossene Element charakteristische Strahlung, wenn die in die Atomhüllen des Elements eindringenden Elektronen dort weitere Elektronen herausschlagen. Bei dem »Elektronenübergang«, der durch das Auffüllen der entstandenen Lücken durch Elektronen aus einer äußeren Schale entsteht, wird ein Teil der Energie als Strahlung freigesetzt (»Fluoreszenzstrahlung«). Erst mit der Quantentheorie, so vermutete Sommerfeld, könne dieser Anteil erklärt werden.Kristalle als natürliche RaumgitterLaue diskutierte 1912 mit seinem Freund Sommerfeld und dessen Doktoranden Peter Paul Ewald über das Verhalten elektromagnetischer Wellen großer Wellenlängen an räumlichen Gittern. Seit er 1907 erfolgreich optische Experimente zum Nachweis der 1905 von Einstein begründeten Relativitätstheorie angestellt hatte, galt Laue als Optikexperte. Er fragte sich, wie sich der Durchgang von Wellen mit kürzerer Wellenlänge als die Raumgitterkonstante auswirken würde und vermutete, dass sich ein Gitterspektrum zeigen würde. Technisch ließen sich solche kleinen dreidimensionalen Gitter nicht herstellen, aber — so Laues Einfall — die Natur hielt solche Raumgitter möglicherweise bereit: Da ihre Atome beziehungsweise Ionen als ein dreidimensionales Gitter angeordnet sind, weisen natürliche Kristalle eine periodische Struktur auf. Die entsprechende Gitterkonstante hat nur ein Zehntel der postulierten Wellenlänge der Röntgenstrahlen. Dies war damals eine ebenso unbewiesene Hypothese wie die Vermutung, dass Röntgenstrahlen überhaupt Wellencharakter haben. Könnte man aber hinter einem der Röntgenbestrahlung ausgesetzten Kristall Interferenzen sehen, dann wäre der Beweis sowohl für symmetrische Raumgitter von Kristallen wie auch für die Beschaffenheit von Röntgenstrahlen als elektromagnetische Wellen erbracht.In den von Laue vorgeschlagenen Experimenten wurde von den Münchner Assistenten Friederich und Knipping ein fein gebündelter Röntgenstrahl auf einen Kupfersulfatkristall gerichtet, hinter dem sich eine Fotoplatte befand. Rechtwinklig gestreute Röntgenstrahlung konnten die Forscher nicht registrieren. Als sie aber am 23. April 1912 die Photoplatte so positionierten, dass sie sich in vier Zentimeter Abstand hinter dem Kristall direkt im Hauptstrahl befand, zeigte sich außer dem großen Fleck, den der Primärstrahl verursachte, auch ein Muster von Schwärzungspunkten. Diese identifizierte Laue als Interferenzmuster, also als gegenseitige Verstärkungen beziehungsweise Auslöschungen der Röntgenwellen. Heute heißen die Bilder »Laue-Diagramme«.Das von Laue ersonnene Experiment wurde von vielen Physikern wiederholt, sein Ergebnis reproduziert, seine Erklärung aber angezweifelt. Tatsächlich gab es in Laues Interpretation einen Fehler, ging er doch davon aus, dass das Beugungsmuster von allen Teilwellen des Röntgenstrahls herrührt. In diesem Falle hätten die Schwärzungspunkte aber in einem kontinuierlichen Spektrum statt in einem Linienspektrum erscheinen müssen.Die richtige Erklärung lieferten William Henry Bragg und dessen Sohn John William Lawrence Bragg (Nobelpreis 1915). Da der primäre Röntgenstrahl an den verschiedenen Kristallgitterebenen reflektiert wird, rühren die Interferenzpunkte nur von Wellen bestimmter Längen her. Verändert man den Beugungswinkel, so verstärken oder löschen sich Wellen mit anderen Längen. Letztlich führte Laues Idee so zur Entwicklung der Röntgenspektroskopie, die Erkenntnisse über den Aufbau von Kristallen und der Materie ermöglicht.Max von Laue war der Auffassung, dass der Nobelpreis ebenso Friedrich und Knipping gebührte und trat ihnen je ein Drittel des Preisgelds ab.R. Seising
Universal-Lexikon. 2012.